Bekenntnisse einer Vestalin
„Ich wurde verrückt bei vollem Verstand“ Marguerite Duras
Arbeiten für Reiche
von Frauke Boggasch
Eigentlich.
In der Provinz gekündigt worden – die Hierarchien im Teilzeitjob hatten sich angeblich verschoben[1] – und nach Berlin gezogen. Dann die Frage nach der Finanzierung und mehr oder weniger durch Zufall wurde ich Künstlerassistentin.
[1] In Nürnberg hatte ich nach dem Studium die Möglichkeit, neben der Archivtätigkeit auch ein Buch zu konzipieren und mit herauszugeben, welches wohl letztendlich das Seine zur Kündigung beitrug. Immerhin hatten es zwei Nobodys geschafft, zahllose Namen zur Teilnahme an diesem Buchprojekt zu bewegen und das Projekt dann auch noch mit einer großen Summe selbst finanziert:
ELEND – Zur Frage der Relevanz von Pop in Kunst, Leben und öffentlichen Badeanstalten,
Hrsg. von Frauke Boggasch und Dominik Sittig, Verlag für moderne Kunst Nürnberg, 2006
Aufgrund mangelndem Verkaufserfolg sollten die noch übrigen Exemplare eingestampft werden, so dass wir sie durch symbolischen Rückkauf davor retten konnten. Wer also noch immer kein ELEND besitzt, wende sich einfach an mich. Noch stapeln sich die Kartons in meinem Wohnzimmer…
Genugtuung auch deswegen, da im Jahr des Erscheinens 2006
Es wird im Folgenden um konkret Erlebtes gehen, allerdings sind dies nur meine persönlichen Beispiele – die Thematik beleuchtet vielmehr ganz allgemein das strukturelle Verhältnis zwischen Künstler und Assistent.
Kleine Storys:
November 2007: Ich stehe mit meinen Eltern im Medizinhistorischen Museum der Charité, wir wollen uns die umfangreiche Sammlung der pathologisch-anatomischen Modelle ansehen. Innerhalb der folgenden Stunde erreichen mich gut und gerne 15 Anrufe der Londoner Galerieassistentin, die mit meiner Hilfe versucht, den schwerstabhängigen politoxischen Künstler zum Flughafen Tegel zu bekommen, damit er endlich zum Entzug (zu einem der zahlreichen Entzüge, die Jahre später in Berlin endlich geglückt sind) in eine Spezialklinik bei London kommt. Diese pure Hilflosigkeit in dem Moment, der rückblickend fast grotesk komisch wirkt. Und die Tatsache, dass die Galerien den kranken Künstler melken, solange die Milch kommt. Zur Ausstellungseröffnung in London werden dem gerade aus einem früheren Entzug kommenden Künstler sämtliche Spielarten der bewusstseinserweiternden Mittel angeboten. Hauptsache, der Rubel rollt.
den Gedanken geäußert, irgendwann einmal ein Buch darüber schreiben zu wollen, über all das Erfahrene, Erlebte, Mitgemachte – sozusagen die Kehrseite der Berliner Kunst-Szenen-Glam-Welt)
An einem Abend lange mit dem Künstler über Musik unterhalten, hat richtig Spaß gemacht – gleichzeitig fand die Eröffnung der mittlerweile eingestellten Kunstmesse ART FORUM Berlin statt – und ich habe mich in der Höhle und im Dunst der Drogen sehr viel wohler gefühlt, als bei dieser ganzen Scheinheiligkeit an der Eröffnung der Kunstmesse.
Ein anderer Morgen, ich treffe den Galerieassistenten auf der Straße vor dem Haus, wo wir mit zwei Bildern zur Probehängung bei Frau Taschen verabredet sind. Diese öffnet im perfekten undone-look (samt Morgenmantel) die Tür. Der Galerieassistent und ich – beide in unterschiedlichen Stadien verkatert – beginnen, das erste Bild abzuspannen, da es für den Flur auf dem Weg zum Schlafzimmer (wo das Bild dann bei einer Kippenberger-Zeichnung hängen wird) zu groß ist. Dem Galerieassistenten wird übel und so stehen wir in dieser perfekten Wohnung, er überlegt, wohin nun mit dem Mageninhalt – und die einzige diskrete Möglichkeit hätte eine Plastiktüte mit dem roten Aufdruck NEU geboten. Großartiger Filmmoment. Ging alles dann doch mehr
reine Büro – bzw. Archivarbeit hinaus, wird dies dann mit einem Stundenlohn von 12 bis 20 € zu angemessen entlohnt?
Ganz andere Fragen betreffen dann den Produktionsablauf: Wie weit ist man als Assistentin selbst an den Kunstwerken beteiligt, wieviel konzeptuelle eigene Arbeit leistet man für den Arbeitgeber? Werden Ideen extra belohnt?[7] Und wann fällt die Tätigkeit eigentlich „not in my paygrade“?
Überhaupt die Bezahlung – oben wurde bereits am Beispiel der Berliner Trinkgeldkultur auf die Krux der Hauptstadt der Kreativen hingewiesen – es ist natürlich ein Leichtes, die Tatsache auszunutzen, dass es doch immer jemand günstiger macht bzw. (Dank unterstützender Eltern) sogar umsonst, nur für die Erfahrung – oder: die Coolness, die der Job bietet (und die natürlich der Arbeitgeber so definiert) schon völlig ausreicht als Entlohnung![8]
[7] Da gefällt mir doch die Tatsache, daß es in einem großen Künstleratelier – eigentlich einer Künstlerfabrik – die Gepflogenheit gab, sämtliche Mitarbeiter dazu einzuladen, Ideen zur weiteren künstlerischen Produktion beizutragen – und die vom Künstler ausgesuchte Idee wurde dann prämiert (und mit Geld belohnt!)
Passend hierzu habe ich die Erfahrung gemacht, dass man als Künstlerassistentin ohne Allüren einfach glatt übersehen wird; man taucht nicht auf in der lange Liste derer, denen Dankbarkeit geschuldet wird, so geschehen nach einem etwa zweiwöchigem Ausstellungsaufbau im MoMa PS 1 (der im Übrigen viel zu meiner Ernüchterung dieser Institution samt Leitungsteam beigetragen hat). Am Eröffnungstag wurde während des Dinners in epischer Breite all jenen gedankt, die zum Entstehen der Ausstellung beigetragen hatten – und die Liste bestand zu einem Großteil aus alten, extrem von der Schönheitschirurgie profitierenden Damen[9] – die natürlich durch ihre finanzielle Großzügigkeit die Existenz dieses ganzen Museums erst ermöglichen.
[9] Ich möchte hier aus gegebenem Anlaß nochmals auf die Performance von Misty hinweisen, er hat dieses ganze auf Spenden basierende Museumswesen und die damit zusammenhängenden Befürchtungen herrlich charakterisiert – die Frage nach einer „besseren“ Kulturförderung ist natürlich Ausgangspunkt neuer Diskussionen über Sinn und Zweck derselben…“When they want to exhibit my work in corporately sponsored museums run by donors from mutual trusts… I’ll believe myself subversive enough to avoid hypocrisy… that my work will challenge those white walls built with money from the undervalued labor and I’ll make them think differently, even change their ways.”
Egal wie kritisch gedacht und vom Ansatz her interessant die jeweilige Kunst der momentan erfolgreichen Künstler-Chefs auch sein mag, egal wie „Punk-mäßig“ deren Haltung auch ist – wird nicht jede Persönlichkeit durch jahrelanges Grossverdienertum irgendwann transzendiert? Anders gesagt, wenn man jährlich die Million (oder weniger, aber eben in entsprechendem 6-stelligen Bereich) auf dem Konto hat, macht das was mit einem – zwangsläufig.
Wir werden es ja sehen.