Für das angeblich unter Fetischisten beliebteste Format, die Malerei, deren Kommodifizierbarkeit sie zwar nicht allein, sondern alle Kunst auszeichnet, aber sie eben schon ganz besonders, ist die Anwendbarkeit einer solchen Kritik des Werkbegriffs oder der Entmaterialisierung etwas Neues. Damit wären wir aber schon wieder bei einer gattungsspezifischen Leistung, um die es ja gerade nicht gehen sollte. Aber was bringt dann der Kunst die angebliche Transitivität des Mediums der Malerei?
Der Kunst, die um ihre Ausweglosigkeit weiß, bringt der Bezug verschiedener Medien, als historisch verfügbare Rahmen aufeinander, eine innere Distanz, die das außen liegende im Innern wieder herstellbar, also darstellbar macht. So wie Fotografie, Video und Zeichnung konventionalisierte Zeichen zur Darstellung von äußerer Realität bereitzustellen scheinen, kann die Malerei einem kunstinternen Bezug auf >Kunst< dienen. Das müsste nicht so sein, ist aber halt so, historisch.
Da bekannt ist, dass es das richtige Leben nicht gibt, braucht man auch in der Kunst – ausgerechnet der Kunst! – nicht nach einem Ort suchen, wo Wahrheit nicht institutionalisiert ist. Wer glaubt, das Problem der Verdinglichung gelöst zu haben, kann sicher sein, dass er’s nur verlagert und also versteckt und verdunkelt hat, und das ist eben nicht Aufklärung, sondern Obskurantismus und
der ist nie Zufall, sondern dient zu irgendetwas oder irgendjemandem. Es kann also nur darum gehen, im Bewusstsein der Abhängigkeit, zum Beispiel der Kommodifizierung, zu Erkenntnissen zu kommen, die eine gewisse Distanz zu ihr schaffen, eine Emanzipation, die darin besteht, nicht völlig mit den schlechten Verhältnissen identifiziert zu sein.
Wenn Kunst eine Transitivität der Malerei in tautologischer Leere vorführt, als nichtobjektive Gemälde, deren Bedeutung verteilt sei und vor deren theoretischem Wert sich der Käufer, der sie ja bloß zur Ware machen will, in acht nehmen müsse (D. Joselit über Cheyney Thompson, in TzK, März 2010), dann ist das eine der Malerei nicht zugetraute gattungsspezifische Leistung, die nicht über sie hinausreicht, obwohl es sie zugleich gar nicht vertritt. Innen hohl, außen wirkungslos. Die tautologische Methode der Konzeptkunst diente dazu, bis dahin unsichtbare Kontexte zu betonen. Und das hat sie gründlich gemacht, deshalb führt Thompsons tautologische Entleerung von Malerei zu keiner neuen Erkenntnis der Rahmenbedingungen von Kunst, sondern verharrt, mittels des Paradoxons des Gattungsspezifikproblems bei einer Malerei, deren Hohlheit sie parasitär umrankt, was nichts anderes ist als der alte protestantische Trick: Selbstkritik als Selbstlegitimierung. Während der Zweifler Krebber dabei eine gute Figur macht, gehen seine Nachfolger in der Kühle ihrer
Verfahrensweise auf. Warum das mehr ist, als nur eine Geschmacksfrage, muss später berichtet werden. (Es hat mit der Adressierung des in dieser Methode enthaltenen Narzissmus zu tun, als adäquates Bild für Ausweglosigkeit. Krebber als Narziss, die andern bloß eitel.)
Der Begriff der Medienspezifik ist lange hohl und scheint doch als Instrument zur Unterscheidung von den Kritikern nicht verabschiedet werden zu können. Aber auch ohne eine inhaltliche Definition der Gattung, also einem generischen, statt spezifischen Medienbegriff, ist ein Unterschied, zwischen zum Beispiel der konzeptuellen Praktik Kippenbergers und der malerischen Albert Oehlens, beschreibbar. Denn in der konzeptuellen, möglichst unverdinglichten Praxis steckt ein verdinglichter Malereibegriff, der als Bezugspunkt ihre Freiheit und Unbestimmtheit aus dieser inneren Distanz ermöglicht. Kippenbergers Kulturpessimismus erlaubt ihm die Malerei wie eine abgeschlossene Geschichte zu verdinglichen, also rhetorisch redundant zu behandeln und auf anderer Ebene, politisch, sozial, inhaltlich, also ideologisch, informativ einzusetzen. Oehlen bestimmt >die Malerei< vielleicht wertend ebenso negativ wie Kippenberger, aber er ist insofern Maler, als er sie nicht als Ganzes ideologisch setzt, sondern ihre einzelnen Rhetoriken, Konventionen und >marks<. Die
gewonnene Distanz und Freiheit liegt also innerhalb des Mediums, das er weiterhin rhetorisch informativ einsetzt. Gerade die Abwesenheit eines spezifischen Medienbegriffs, der ja dann immer eine Bestimmung der Aufgabe von Kunst ist, erlaubt es malerischer Praxis sich innovativ zu verhalten, zu sich selbst, zu ihrer Zeit, oder sonst was. Dagegen ist eine feste rhetorische Fassung, (z.B. Flächigkeit, sozialistischer Realismus, mal doch mal was Schönes), logischerweise ideologisch redundant, und erlaubt nur noch Differenzierungen, also auch rhetorisch nur noch beschränkt Information, also Innovation, und abweichende, also informative, ideologische Aussagen.
Dieses Verfahren von Oehlen und Kippenberger führt nicht sich selber vor als Party für diskursive Zombies und Strohpuppen. Es bietet sich nicht als legitimationssymbiotischer Theoriebehälter an, es hat selber Inhalt. Es dient einer Inhaltlichkeit. Das gibt’s, Kunst mit Inhalt, statt Kontext. Und so ein Inhalt ändert vielleicht nachher mehr am Kontext, als die hohl auf sich selbst verweisende Kontextverherrlichungskunst, die neben einem Begriffszombie steht, den man sonst längst vergessen hätte.
Bestimmt ließe sich auch noch manches zur angeblichen Transitivität sagen, parallel zur paradoxen Herstellung einer inexistenten neuen Malerei aus toten alten Begriffen. Das ist
aber auch nicht so spannend. Es ist sogar total unlustig, Begriffen, die so unscharf gehalten werden wie hier, Malerei, Netzwerk, Transitivität, nachzuweisen, dass sie nicht ineinander passen und dauernd Wörter wie Kommodifizierung zu schreiben, die mein Rechtschreibprogramm zu Recht mit roten Zickzacklinien unterstreicht. Im Übrigen ist man selber auch gegen Verdinglichung, man findet aber, dass man nicht den neuen Wein in die alten Schläuche tun soll, sondern logisch die alten Schläuche in den neuen Wein.
Aber WARUM das alles?
Die Rede von einer Malerei neben sich, oder Transitivität nimmt einen wichtigen Ort jetziger Kunstproduktion in Beschlag, und verbaut ihn mit schiefen und veralteten Begriffen. Unüberwindlich liegt Joselits Text (oder z.B. auch D. Diederichsens Eigenblutdoping) die Voraussetzung zu Grunde, dass ein einzelnes Subjekt gegenüber der Welt stehe, von ihr nicht enthalten, sich zu ihr verhalten müsse. Dann ist da ein Objekt, das macht das Subjekt sich zu eigen, dass es gegen die Welt steht, ein Gegenstand. Und es wird Kontext. Diese Schöpfungsgeschichte scheint so selbstverständlich, dass sie gar nicht mehr als solche erkannt wird, nämlich als die des Vaters des Zweifels, Descartes’ Nase, Gott, und seinem Stellvertreter: ich. Also Objekt und Subjekt.
Wenn man da jetzt Netzwerke einführt, dann geht das eben so, dass der Kontext heutzutage aus Netzwerken besteht, („networks that frame it“) das Objekt also Element von Netzwerken und das Kunstwerk ein schwaches Objekt mit den verknüpfenden Markierungen verschiedener bestehender Netzwerke ist, die es auf diese Weise visualisiert. Erhalten bleibt die heroisch natürliche Guckkastenbühne des Abendlandes und wenn das dort platzierte Subjekt in einer Nase bohrt, die jetzt ein Netzwerk ist, dann ist das Objekt, das da hervorgebracht wird, zwar Teilnehmer als Element des Netzwerks, es ist aber keinesfalls seinerseits an der Hervorbringung des Subjekts mitbeteiligt. Denn das ist dann halt, wenn das Netzwerk auf der Bühne auftritt, statt Bühne zu sein, nicht möglich. Das Netzwerk ist dann nur ein anderes Wort für den Kontext von intakten Subjekten und Objekten. Und der Kontext ist teil der Bühne. Und die Bühne ist nun mal einfach da. Das ist aber alles gelogen. Denn die Bühne ist in Wirklichkeit eine Methode. Nämlich die Methode der Hervorbringung von Subjekten und Objekten, sie ist Descartes’ Subjekt-/Objekttechnik. Netzwerke auf der Bühne der Repräsentation auftreten zu lassen ist ein Kategorienfehler.
Ein Netzwerk ist eine Metapher. Es ist ein Bild für eine bestimmte Organisation von Systemen. Die Organisation
bestimmter Systeme lässt sich als Netzwerk darstellen. Das heißt, Netzwerke sind eine Methode der Darstellung. Wenn sich ein Künstler oder ein Unternehmensberater darüber klar ist, in welcher bestimmten Hinsicht er ein als Netzwerk darstellbares System darstellen möchte, dann gibt ihm das Bild des Netzwerks dazu die Möglichkeit. Zum Beispiel kann er das System unter den Zielvorgaben der Steuerung oder Verwaltung beschreiben, durch das Verhalten der Elemente/ Knoten, durch die Intensität der Kopplung, indem er bestimmte Effekte als Nutzen setzt oder befragt. Er wird auch eine sinnvolle Begrenzung einführen müssen, also über relevante und irrelevante Verknüpfung entscheiden und inhaltliche Vorgaben machen. Denn selbstverständlich kann man alles mit allem verknüpfen, aber das ist auf der formalen Ebene sinnlos, weil man dann nichts mehr erkennt. Und ideologisch ist es reaktionär. Und das war schon immer so.
Joselit in Painting Beside Itself findet es dagegen sehr schwierig, Netzwerke zu visualisieren. Er erkennt also gar nicht, dass es sich bereits um Visualisierungen handelt, weil das, was er unter Visualisierung versteht, anders organisiert ist und verwechselt die Methode mit dem Gegenstand. Er hat mal >Internet maps< gegoogelt, das hat ihn an Star Trek erinnert, Netzwerke seien so riesig, so erhaben und unbegreiflich. Und die Kunst kriegt den
Auftrag das jetzt mal darzustellen. Das ist ganz schön traurig. Das Netzwerk soll auf die Bühne, aber es ist so schwer darzustellen, also wird das Verhalten von Objekten in ihnen repräsentiert: die Objekte führen ein neues Stück auf, das intakte Subjekt sitzt im Dunkeln und guckt zu. Die Bühne ist unsichtbar, alles in Ordnung.
Das zeigt die Selbstverständlichkeit mit der Joselit seine Methoden mit der gegebenen Welt verwechselt, und da ist es ein Witz, dass er noch von Verdinglichung redet. Denn Verdinglichung, fraglos existent in der Welt, wird eben durch die Subjekt-/ Objekttechnik der Moderne produziert und reproduziert. Eine angemessenere Darstellung, als Joselits unhinterfragte Fixierung aufs Objekt, (nämlich eine auf Prozess und die Wechselwirkung von Produktion/ Konsumtion, Projektion/ Rezeption), hätte freilich nicht den inneren Widerspruch hervorgerufen, den Joselit, als seinen Tatsachenbefund von künstlerischen Errungenschaften verkauft, die ihrerseits diesen Kategorienfehler antizipieren, indem sie sich auf den Paradoxen zwischen Kunstproduktion und Theorieproduktion gründen.
Ich bin der Meinung, dass man weiterhin Gegenstände herstellen sollte. Ihre Herstellung/ Darstellung als Objekt finde ich falsch. Das Objekt ist eine Methode der Darstellung, genau wie das
Netzwerk. Methoden der Darstellung bedeuten Erkenntnis und Herrschaft zugleich. Die Mischung der Methoden von Netzwerk und Objekt markiert die gegenwärtige Ausbeutung. Ältere Herren wie Joselit haben dem nichts entgegenzusetzen und sollten wegen Verdunklungsgefahr sofort vom Diskurs suspendiert werden.
Sowohl für Joselits Painting Beside Itself, als auch für den erweiterten Artikel in Art Since 1900, dient ein Interview mit Martin Kippenberger von 90/91 als Einstieg. Er wird zitiert: „Simply to hang a painting on the wall and say that it’s art is dreadful. The whole network is important! Even spaghettini…. When you say art, then everything possible belongs to it. In a gallery that is also the floor, the architecture, the color of the walls.”
In >B< Gespräche mit Martin Kippenberger steht da „Geflecht“, an anderen Stellen „Zusammenhang“, jedenfalls geht es ihm nie darum, sein Netzwerk zu visualisieren, er ist kein selbstdarstellernder Netzwerker und auch keiner, der selbstkritisch sein Netzwerk entblößt. Kippenberger war das Netzwerk. Er war auch nicht >sein< Netzwerk, in dem Sinn, dass er dann außer dem Netzwerk, das er hatte, noch etwas anderes gewesen wäre. Er war als die Fülle seiner Darstellungen ein Netzwerk. Mit denen musste in die vorhandenen Zusammenhänge eingegriffen werden,
um den größeren Zusammenhang nicht bloß darzustellen, sondern im gewünschten Sinne zu verändern. Auf diesen Kippenberger können sich nicht jetzt Leute berufen, die die langweiligste ewige Kontextrepräsentation betreiben, als gäbe es nichts politisch auszusagen, abgesichert durch angebliche Innovationen an komplett elitären und dubiosen Theoriebegriffen. Das ist keine Kunst! Scheiß Hipster!
Ein als Netzwerk darstellbares System hat tendenziell keine festen Hierarchien, Grenzen, Einheiten, sondern Verknüpfungen und ist nicht interessiert an materiellem Besitz, (und es will auch nicht Deine Seele), sondern an Zugang. Wer darin Steuerung übernehmen können will, statt nur gesteuert zu werden, muss selbst Netzwerk werden. Den individuellen Einzelnen kann man vergessen. Die Möglichkeit der Subjekt-/Objekttechnik, außen zu stehen, nicht sichtbar und nicht eingreifend und doch etwas erkennend, nämlich objektiv, kritisch, oder dissident, gibt es im Netzwerk nicht.