Tipps 4
Der galoppierende Tesserakt. 
Auf nicht falsche, sondern richtige Art vom Subjekt zum Netzwerk kommen.
 
 
 von Fabian Ginsberg

 

Die Erste Person
Woher weiß man, wie es ist, ich zu sein? Kann ich das wissen? Ich muss. Es ist klar, dass ich nicht wissen kann, wie es ist, der Andere zu sein. Ich kann mich in ihn versetzen, ihn mir vorstellen. Aber das bin ich. Manche wollen wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein. Ich als Fledermaus. Ich stehe in der U-Bahn und blicke mit Grauen in die Ausweglosigkeit des Anderen. Ich will wissen, wie es ist, ich zu sein. Aber in mir ist nichts. Ich könnte mich fragen – aber von Mich aus, da ist Ich schon der Andere, ist die Fledermaus. Oder bleibt Mich, und ist wieder nur eine Meinung. Ich weiß nicht, wie es ist, ich zu sein. Ich bin mir nur vermittelt zugänglich, alles mir Zugängliche sind Vermittlungen.
Kann Ich überschritten werden? Klar, Ich ist ein Modell.
Die normale Geschichte des Subjekts geht so: ein Mensch will angesichts von Welt Ich-fest werden. Ein Individuum will gegenüber einer Gesellschaft eine Identität finden.
Ich glaube nicht, dass es ein eigenständiges Weltmodell gibt. Das Weltmodell ist die jeweilige Ichwerdungs-Methode der Menschenbild-Herstellung, mit allen Bedingungen und Ableitungen. Die Subjekt/Objekt-Methode macht aus einem Mensch Den Menschen, ein Zirkelschluss, der eine beständige Ordnung schafft, indem er sie den Auserwählten immer neu individuell initiierend zuteil werden lässt, während andere dauerhaft ausgeschlossen bleiben.
Eine Wissenschaft, die nach einem neuronalen Korrelat eines Weltmodells sucht und dabei die Subjekt/Objekt-Technik verwendet, als gäbe es die unabhängig von 

Weltherstellung, oder als gäbe es Welt, außer ihrer Herstellung, beweist damit, dass Wissenschaft teil der Kultur ist.
Als dieses alte, man nennt es das bürgerliche, auserwählte Subjekt/Objekt bin ich immer schon da und muss mich verhalten zu einer Welt, die mir gegenüber tritt, mich herausfordert, prüft, entbindet, verwirrt und wieder einfügt, ich erkenne mich wieder, logisch, die Welt bin ja ich, ich bin die Welt, denn: Zugriff! im Namen des Vaters, das Unterworfene unterwirft sich Welt. Wer unterwirft sich?
Gegeben ist: die Unterwerfung.

Die Frage, wie es ist, ich zu sein, ist im Subjekt/Objekt-Konzept von Welt und Bewusstsein unlösbar, denn sie führt in jenes Paradox, das seine Funktion ermöglicht. Die Koordination von Ichwerdung und Weltmodell hat eine stabile Ordnung von Zeit und Raum und der Identität der Person hervorgebracht. Es gibt eine für alle festgelegte Grenze zwischen Ich, innen, und Welt, außen. Es heißt, diese Erfindung mache mir mich und Welt erst verfügbar. Das mag stimmen, falls das Konzept die Überschreitung ermöglicht. Das tut es aber nicht, wie viele Philosophen und Naturwissenschaftler behaupten. Das muss es aber irgendwie, sagen die Anderen. Bei der Erforschung des Problems wird die Technik verwendet, die den Bestand des Problems sichert.
Zur Überbrückung der Grenze gibt es die Erste- und die Dritte-Person-Perspektive. Als Erste Person habe ich allein Kontrolle über meine Innenwelt. Ich kann mich zu meinem Objekt machen, denken, fühlen, zerknirscht sein. Als Dritte Person 

überschreite ich meine Subjektivität zum Objektiven und beherrsche die Außenwelt. Die Verbindung der beiden Perspektiven konstituiert die Freiheit des Individuums in einer Gesellschaft von Gleichen. Das ist eine typisch westliche Konzeption, die es in anderen Kulturen so nicht gibt. Und natürlich haben auch hier nie alle zu den Gleichen gehört. Das ist aber erst mal egal. Entscheidend ist, wie funktioniert dieses Konzept und wie nicht?
Die Erste Person situiert und beschränkt mich in Zeit und Raum, die für alle umfassend und koordiniert festgelegt sind. Ich kenne mich also nicht aus und weiß nie, was als nächstes passiert. Doch das geht allen anderen auch so. Aber ich allein kann mich selbst kennen, niemand kommt an mich ran. Die Dritte Person erlaubt mir die Erkenntnis der Welt und ihre Beherrschung. Ich kann etwas beobachten, als wäre ich nicht da. Dazwischen ist Überschreitung. Die ist das Wesentliche, der große Trick, denn weder die Dritte noch die Erste Person gibt es in Reinform. Es sind nur Abstraktionen, absolut voneinander abhängig und nur gemeinsam funktional, die den Grenzübergang, die Überschreitung und Entgrenzung, regulieren sollen. Die Frage, wie es objektiv ist, ich zu sein, produziert einen Kurzschluss, sie funktioniert nicht, dafür wurde diese Technik nicht erfunden. Entsprechend kann ich weder subjektiv, noch objektiv vom Anderen wissen.
Muss ich ja nicht, es geht um Unterwerfung.

Ich weiß nicht, wie es ist. Ich habe ein Modell. Das kann überschritten werden. Neues Modell:

 

 

 

Gegeben sei: der Tausch von Verwandlung.
Kein Subjekt, kein Objekt, kein Inhalt, kein Kontext. Es gibt Produktion, die Konsumtion ist, und wieder Konsumtion, die Produktion ist. Die Gleichsetzung ist Tausch, unumkehrbar, weil der Tausch verwandelt und in der tauschenden Verwandlung Differenz, Sinn, Richtung schafft. Eine Bewegung ohne Anfang und Ende, die Zeit und Raum entwickelt. Von dort bis zum Bleistift in meiner Hand besteht alles in Ausdifferenzierungen und Ableitungen. Ob etwas ein Apparat, ein Phänomen, ein Mensch, eine Synapse, eine Tat oder ein Gegenstand ist, das ist eine Frage der Betrachtungsweise, also der kategorialen Ebene, der Methodik, und der Situierung der Perspektive. Es gibt keine festen Körper und keine festen Grenzen und so kann man beobachten, wie Körper, Substanzen, und Grenzen hergestellt werden. Von mir aus. Von mir, nicht als Ich, sondern von mir als Konstellation, im Maß meiner Verknüpfung als Tausch von Verwandlung. Es gibt keine Gegenstände, sondern Repräsentationen, was keine Verarmung gegenüber der früheren Welt der Objekte darstellt, sondern im Gegenteil, eine Steigerung der Komplexität. Auch Objekte bestanden ja in Wirklichkeit in der Methodik ihrer Herstellung, nur dass eben der Standpunkt festgelegt war, eine Situierung also nicht notwendig und die Welt einheitlich und fest begrenzt. Nun sind unterschiedliche Methoden zugelassen, der Standpunkt ist fragwürdig, eine Situierung also notwendig und die Einheit der Welt ist weg, Grenzen sind in dauernder Verhandlung. Der Wegfall von Einheit und Identität bedeutet: potentiell darf jede mitmachen, nicht nur die Auserwählten. Potentiell.

Es kommt auf die Potenzen an. Der Prozess meiner Herstellung, dessen Teil ich nur bin in dem Maß als meine Intentionalität (der Tausch von Projektion = Rezeption), ausrichtend, mitverhandelnd im Tausch mit Apparaten steht, ist eine Frage von Macht und Verteilung.
Wo bleibt da der Mensch? Karen Barad wirft Foucault vor, sein Begriff des Diskurses sei anthropozentrisch, setze die menschengemachte Trennung von Mensch und Natur fort. Für Barad ist da keine Grenze, Natur ist gesellschaftlich, Semiotisches und Materielles untrennbar verbunden. Aber wie Ontologie treiben, wie aus menschlicher Perspektive, die immer Menschensinn voraussetzt zum Sein?
Die Trennung von Sinn und Sein, Ontologie und Epistemologie setzt voraus, dass es die jeweiligen Pole in Reinform geben könne. Dann wäre die Überschreitung tatsächlich unmöglich und die Wirklichkeit rätselhaft. Dann müsste man jahrtausendelang rätseln über die Verbindung zwischen Sender und Empfänger, oder wie ein Subjekt tatsächlich Zugriff haben kann auf ein Objekt. Gedanke und Körper, das Dazwischen ist transparent. Die Botschaft, die Vermittlung, – sie funktioniert, aber sie bleibt geisterhaft. Eine Erklärungslücke.
In Wirklichkeit gibt es nichts als Vermittlungen. Es gibt nur die Vermittlung, aber weder den reinen Geist, noch die reine Materie. Alle Medien, alle Repräsentationen und Botschaften sind physikalisch und semiotisch vorhanden da.
Dagegen gibt es so etwas, wie das Subjekt, das Objekt, den Mensch, nicht als Substanz. Es sind Modelle, je nachdem einsetzbar als Metaebene für Projektionen, als Methode für Zugriff, oder zum Bewohnen (Substanzen), oder zur Orientierung 

(Raum, Zeit), immer also Repräsentationen, Praktiken, Vermittlungen. Nichts Umfassendes, nichts Auswegloses, im Gegenteil, Medien. Die Welt, als Subjekt/Objekt/Ich/Welt-Modell muss erst teil von Welt werden, um sich so darstellbar zu werden. Es gibt nichts, das nicht Repräsentation ist. Trotzdem IST alles da. Sogar noch viel mehr.
Neues Problem: Überdetermination. Ordnung schaffen. Situierung.
Ein Beispiel. Mein Körper ist eine Repräsentation, mir zugänglich als Modell und Zugang schaffend für Welt (als Horizont der Zugänge/Repräsentationen). Ich bin gewohnt, die Repräsentation und meinen Körper als identisch aufzufassen, denn das stabilisiert die bestehende Ordnung. Es ist mein Besitz, der mich zugleich gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, ihn in bestimmter Ordnung zu halten. Und das wird kontrolliert. Wird mein Körper benutzt, um die Straße zu pflastern, halte ich das für unangemessen. Es ist jedoch möglich und kommt vor, deshalb gibt es Gesetze, die die möglichen Repräsentationen auf erlaubte und geforderte beschränken. Das tun sie im Namen des einen und wahren, objektiven Körpers, der mir angeblich zusteht. Durch dieselben Gesetze, die mich schützen, werden andere Menschen von ihrem Körper getrennt. Denn es wird sehr schnell vergessen, dass es sich bei dem rechtlich mir gesicherten Zugang (Repräsentation) zu meinem Körper, nicht um eine naturgesetzliche Identität handelt, sondern um einen Konsens, der notwendig diskriminiert. Menschen, die ohne Arme geboren wurden und doch Gefühl in den Fingern haben, und Menschen mit dem falschen Geschlecht, sind nicht Beweis der Trennung von Körper und Geist, sondern für den notwendigen, aber nicht 

 

natürlich gegebenen Zugang (Repräsentationen) zu den Apparaten (Repräsentationenverteilende physikalisch-semiotische Methoden-Cluster, wie „Natur“, „Körper“, „Ich“, „Zeit“, „mündiger Bürger“, oder auch „Labor“), die sie handlungsfähig machen, und zwar materiell (besser: physikalisch) und semiotisch, in Sein und Sinn zugleich. Das angeborene Modell des Körpers mit Händen, das dem physischen Modell ohne Hände widerspricht, ist nicht Ursprung. Das Denken und Handeln hat seinen Grund nicht jenseits der Welt, sondern besteht im Wechselwirken der Repräsentationen im Tausch mit den sich differenzierenden Apparaten. Weder Körper noch Gedanke sind ursprünglich, sie gehen nicht der Repräsentation voraus. Repräsentationen kommen aus dem Tausch von Verwandlung mit Repräsentationen – das heißt: es denkt, es wird.
Dieser Zugang ist daher keine Frage von Wahrheit, sondern von Herrschaft. Also Ordnung. Der Arzt, der den in seinen Augen (der Gesellschaftsordnung) geschlechtlich unentschiedenen Säugling operiert, macht Ordnung im Sinne gesellschaftlich vorgesehener Zweigeschlechtlichkeit. Er hat Zugriff auf die momentan falsche Repräsentation, die der Körper des Säuglings ist und setzt den formierend durch. Durch ihn wird eine neue Grenze gezogen, er vertritt eine Ordnung. Es ist nicht die Ordnung des Kindes, dessen Repräsentation, also Zugang zu sich und Welt jetzt manipuliert wurde. Die vorige Repräsentation wäre vielleicht auch nicht die natürlich richtige gewesen und das Kind hätte sich vielleicht (vielleicht!) später auch operieren lassen, nur gerade anders. Alles hat dauernd und zugleich unterschiedliche und widersprüchliche Repräsentationen. Aber es gibt

nicht die eine wahre und angemessene, weil es den Gegenstand nicht gibt. Es gibt keine Objektivität. Es ist keine Frage von Wahrheit, sondern von Macht. Wahrheit ist auch nur eine Machttechnik. Die Frage ist, wen repräsentiere ich, wenn ich handle? Und: Wie setze ich meinen Zugang zu den Apparaten, also Handlungsfähigkeit, als Herrschaft über meine Repräsentationen durch? Repräsentation heißt Verbundenheit und Zugang. Hat der Arzt gegenüber dem Säugling genug Verbundenheit um über sie zu bestimmen? Dass diese Frage überhaupt zugelassen ist, liegt daran, dass ich nicht nicht repräsentieren kann. Also wen?
Meinen Körper als ein rein physikalisches Objekt, das die Wahrheit spricht, gibt es nicht. Ein solches Objekt wäre eine Methode, eine Herrschaftsordnung, die Einigen solche Körper zugesteht und anderen nur unter Vorbehalten oder gar nicht. Meinen Körper als meine, eine meiner Repräsentationen, als Medium, muss ich dauernd verteidigen und vermitteln gegenüber seiner Repräsentation durch andere, die auf ihn, oder über ihn auf mich zugreifen wollen. Worauf soll ich mich berufen, wenn mein Körper unangemessen, falsch, oder sogar mich von ihm ausschließend repräsentiert wird? Nicht einmal darauf Mensch zu sein, könnte ich mich berufen, wenn eine Mehrheit die Macht hat, mich vom Zugang des Apparats der Herstellung des Menschlichen auszuschließen.
Lösungsweg: Situierung. (Donna Haraway lesen.) Netz werden. (Der Mensch mit Internetanschluss braucht darum nicht einen neuen alten Humanismus.)

 

Herstellungsweisen, Wiederholungen
Warum soll ich mich nicht für als Mensch gegeben, ich-fest, klar definiert und abgegrenzt halten? Es funktioniert doch: ich sehe einen Gegenstand, greife zu, schmeiße ihn an die Wand. Klare Verhältnisse.
Ich konstituiere mich, indem ich mich abgrenze von einem von seiner Umgebung abgegrenzten Ding, was mir einen unterwerfenden Zugriff erlaubt, in dessen freier Verfügung ich mich in überlegener Verschiedenheit von der Umwelt, als frei bestätige. Die Einheitlichkeit dieses Aktes wird umschlossen von einem Raum und unterlegt von einer Zeit. Fortschritt findet dabei statt. Müsste ich dagegen davon ausgehen, dass nicht allein die Methodik meines Aktes als Weltgesetz besteht, sondern lauter unterschiedliche Methoden, auf verschiedenen Ebenen, die ineinander greifen, herrschen, und dass in den angeblichen Gegenständen eingeschrieben andere Geschichten und Bewegungen, andere Wechselwirkungen und Intentionen sind, dann wäre die Einheitlichkeit von Raum, von Zeit verloren. Die Welt als meine Welt wäre getauscht gegen Welten ohne Ende. Ich müsste mich in ihnen bewegen, sie sich durch mich bewegen lassen, und mich durch sie. Ich müsste zugeben, dass es unterschiedlichste Arten von Grenzziehungen (Diskriminierungen) gibt, statt meiner einen, unterwerfenden, die meine eine Welt als Die Welt bislang konstituierte.
Meine Welt ist meine Methode Ich zu sein. Würde ich zugeben, dass es verschiedene Welten gibt, hieße das, ich bin nicht unbedingt schon da. Alle hier gehen aber genau davon aus: sie sind, sich selbst vorausgehend, immer schon da. Wenn ich nicht schon da bin, muss ich dauernd Grenzen setzen.

Die Grenzziehung der Subjekt/Objekt-Technik, innerhalb der ich immer schon da bin, sieht von außen so aus: Ich bin doppelt nicht da, ich bin nicht da, vor der Grenzziehung, nämlich eklig verwoben und vermischt und undynamisch unausgerichtet mit allem Drumrum, dann nach der Grenzziehung, da bin ich wieder nicht da, nämlich abgegrenzt, negativ bestimmt, frei. Aber dieses doppelte Nicht-da, treibt mich voran, ob als Faschist, Kapitalist oder Künstler. Das harte hohle Ich beherrscht die Welt, sie ist eine Rennbahn. Das kommt davon, wenn die Zeit nur eine Dimension hat. Statt dass die Zeit räumlich und der Raum wieder räumlich wäre und kein Ding und Element da, sondern nur wieder Räume, alles in Explosion, Urknall, und zwar dauernd.
Das ist aber unübersichtlich. Also wieder, warum nicht Subjekt sein, da es doch funktioniert? Es funktioniert ja gar nicht.
Der Subjekt-Techniker entkommt nicht der eigenen vorantreibenden Doppelstruktur des Nicht-da-Seins. Herrschend beherrscht, unterwerfend unterworfen, befindet er sich im Lauf, was er gewinnt, das hat er ausgrenzend geraubt oder raubbauend von sich selber abgespalten, was er schlägt, damit ist er geschlagen. Das Gesetz der Wechselwirkung, das er, Austausch verleugnend, nutzt, erlaubt ihm kein Dasein, aber Beschleunigung. Der Sieg wäre die Vernichtung. Für die Behauptung von Festigkeit ist er immer im Sprung und abhängig in der Überschreitung zur Freiheit, er ist in der Teilung für Einheit, seine Abwesenheit dient der Konstitution eines Ortes, den er niemals betritt. Immer ist er jenseits der Begriffe, die die beschleunigende Bewegung ermöglichen. Die Leugnung der 

wechselwirkenden Verbundenheit von Verschiedenem als einem Tauschverhältnis, das so vollzogen, dauernder Raub und dauernde Vergewaltigung ist, hat ein Ausmaß von Herrschaft geschaffen, das sie selbst untergräbt. Der Raubbau kann nicht mehr kompensiert werden. Die Selbstverleugnung ist Konkursverschleppung. Es geht nicht mehr weiter. Der Fortschritt basiert auf Methoden der Fiktionalisierung von Kapital. Das Fiktive ist nicht unmoralischer als das Tatsächliche, es unterscheidet sich, unterschiedlich hergestellt, nur darin, schwerer kontrollierbar zu sein und das hebt grundsätzliche Spielregeln auf. Gegenwärtig kauft der Staat die bösen Fiktionen auf, ist aber zu schwach die dauernde Produktion neuer böser Fiktionen zu regulieren, weil er nicht weiß, wie man böse von guten Fiktionen unterscheiden soll. Es wird weiter Konkursverschleppung gemacht, indem man Geld, das man erfindet, statt raubt, ausgibt, oder indem man spart, damit andere es ausgeben. Die Wirtschaft setzt das Grundeinkommen durch, um die Produktivität des Konsums zu stützen, denn außer Konsum gibt es nicht mehr viel Arbeit und die Grenzen sind gut gesichert. Man bräuchte ein anderes Konzept für neues Geld, es besteht irgendwie in der Beziehung zwischen Menschen und Maschinen. Zwischen Maschinen und ihren Prozessen ginge zwar auch, würde aber die Gesellschaftsordnung gefährden. Das funktioniert alles so weiter, solange die Grenzen halten, die in einer multipolaren Welt doch wieder sehr wichtig geworden sind. Dann gibt es 2 Lösungen: a) der Protagonist vergisst sich, das heißt, er vergisst sich als Technik, die er ist und hört auf zu üben, weil er sich für stabil und unabhängig von seiner Ausübung hält, er zieht sich in sein Privatleben zurück und das Römische Reich geht unter; b) der Protagonist macht immer weiter, die Welt geht unter.

Könnte dann nicht doch lieber einfach alles so bleiben, wie es ist und wir benehmen uns nur ein bisschen moralischer, weniger verfügend, respektvoller. Wir finden eine nachhaltigere Art des Wirtschaftens, wie die Kanzlerin sagt, und ich verspreche keinen Raubbau mehr zu treiben, weder an mir, noch an anderen? Nein, geht leider nicht. Die Sache hat nichts mit der Moral zu tun. Ich und die Kanzlerin, und die, die dies lesen, sind nur da als unterwerfende Methode, sind Raubbau, und es gibt keine nachhaltige Art des Raubens. Wenn alles ausgeraubt ist, haben auch die Räuber nichts zu essen. Sie können jetzt nicht moralische Räuber werden, weil sie essen wollen. Auch das aufgeklärteste kritische linke Projekt existiert dank des Raubes an Menschen, die ausgeraubt, wie sie sind, beim Versuch unter die Räuber zu gehen im Mittelmeer scheitern. Jetzt im Moment, sie verdursten oder ertrinken, damit ich frei bin es hier aufzuschreiben. Bekanntlich kommt dann jetzt das Argument aus den frühen 90ern, der moralischen Überforderung unserer Gesellschaft durch die Quantität des Leidens in einer zu weit gefassten Perspektive. Also Grenzen setzen, Grenzen hochziehen, abgrenzen. Das würde aber voraussetzen, dass wir auch in unseren Grenzen bleiben, – tun wir aber nicht, wir wollen einseitig tauschen. Rauben halt. Die Lösung sieht nicht vor, Grenzen zu verstärken, aber auch nicht, Grenzen aufzulösen, sondern Grenzen einzuhalten. Ausgerechnet Grenzen einhalten, können wir mit unserer Technik der Selbst- und Weltherstellung nicht. Der einseitige Tausch konstituiert uns, wir können daraus nicht treten, ohne uns und alles zu verwandeln.

 

Das ist keine starke Motivation. Subjekt-Techniker und Miet-Subjekte rennen und werden gerannt, man ist sich einig, dass es so nicht weiter gehen kann, aber dafür ist niemand verantwortlich. Das Gesamtsystem dieses Weltmodells ist nicht reformierbar, es wird nicht irgendwann anfangen Grenzen einzuhalten, das ist nicht möglich, das kann es nicht. Es bricht zusammen. Wenn es zusammenbricht, löst alles sich auf, jeder Einzelne hier.
Außer etwa intern hervorgebrachten, andersstrukturierten Systemen, deren Art der Grenzziehung in einer durch und durch multipolaren Welt funktional bleibt.
Wie könnte eine andere Art der Grenzziehung aussehen? Wie könnte eine andere Methode der Ich-Herstellung als Weltmodell verfasst sein, die andere Welten zulässt? Wie könnte eine Repräsentation verfasst sein, die nicht auf Ausbeutung programmiert ist, sondern auf Tausch, eine Repräsentation, die wechselwirkend Zugang, auf Basis von Verbundenheit, schafft? Genau. So nämlich.

Die Gegenstände. Großes Durcheinander gegnerischer Konzepte.
Gegeben ist: Die Gegenstände gibt’s nicht. Dinge, Elemente und Objekte gibt’s nicht. Subjekte gibt’s nicht. Es gibt allein das Geben. Also gibt es Gibt’s-nicht-Sätze nicht. Das Gegebene gibt’s nicht und gibt’s-nicht gibt’s nicht.
Also muss Herstellung gegeben werden, von: Staaten, Gemälden, Freundschaft, Pinsel und Gesichtscreme. Synonym zu Welt, Körper, ich, etc.
Was heißt das?

Was alles keinen Sinn hat: Es hat keinen Sinn den Gegenständen tatsächliche Handlungs- und Wirkungsmacht zuzuschreiben, wenn damit nur ein metaphorischer Animismus gemeint ist („Agency“). Da bleiben die Dinge präformiert und das Subjekt eh, – stabil, begrenzt, natürlich. Das bringt eine erweiterte Form von Umweltschutz auch für Dinge und verschiebt die herrschaftliche Rolle des Menschen vom untertan-machenden Vertreter des Einen zum moralischen Vertreter der Welt. Ein läppischer Effekt. Das System ist nicht reformierbar, es muss untergehen. Die Frage, wen repräsentiere ich? ist als eine methodische aufzufassen. Und führt ziemlich schnell zum Appell: Organisiert Euch! der an mich gerichtet ist.
Der Rand sagt: Verfassungsschützer töten! Für Dich und mich.
Eine Repräsentation ist Herstellung, als Vorstellung/ Darstellung/ Vertretung. Souverän ist nur, was auf mehreren Ebenen der Repräsentation tauschen kann. Weiter: Die objektive, mimetische und identifizierende Verknüpfung von Bild und Objekt, (oder auch Wort und Ding) ist falsch, darauf hat D. Joselit letztens noch mal hingewiesen. Da hat er recht. Und ebenso falsch ist logisch ihre Trennung, die eine solche Verknüpfung ja erst ermöglichen soll. Dann wird gewöhnlich eine Seite subsumiert, oder für unzugänglich erklärt, oder sich ausgerechnet in das Unzugängliche hineinspekuliert. Das sind regulierende und liberalisierende Phasen, die sicherstellen, dass es so weitergeht und bleibt, wie es ist. Jetzt, wo es nicht weitergeht, hat das keinen Sinn mehr. Die Herrschaft ist bedroht von der eigenen unumschränkten Gewalt. Sie krankt. Erkenntnis, dauernd verleugnet für die Herstellung von Kohärenz, ist regulativ gefragt. Ausgerechnet jetzt meldet sie sich 

nicht. Wo ist sie? Neben dem, was Herrschaft als Welt empfiehlt, ist Erkenntnis immer schon teil der Macht. Herrschaft und Erkenntnis ermöglichen einander gegenseitig, erweitern sich und differenzieren sich aneinander aus als Ableitungen ihres Welt formierenden Möglichkeitshorizonts, des Zusammenhangs von Macht und Wahrheit. Herrschaft, die einheitlich werden will, identisch mit Macht, als aller Möglichkeit, sucht Wahrheit, will Wahrheit werden. Wird moralisch, verfällt den eigenen Lügen und vergisst sich. Dann geht es nicht mehr lang, was man bei gefallenen, sogenannten Regimes beobachten kann, aber eventuell auch anderswo. Die Herrschaft muss mit Wahrheit als sie ausgleichendem Teil, Erkenntnis unterdrückend und ausbeutend, die Macht teilen. Das von Macht überhaupt Ausgeschlossene, ist nicht als Opfer noch in der Wahrheit, sondern nichts. Es verliert alle Repräsentation. Es ist namenlos untergepflügt. Vergessen.
Wer ausgeschlossen ist von Herrschaft und die Revolution will, wollen kann, ist schon teil von Macht und will Herrschaft. Der kann die Erkenntnis brauchen. Aber Herrschaft lässt sich nicht widerlegen. Wer die Revolution will, kann nicht darauf warten, bis dem letzten optimistisch-kritischen Ernährungswissenschaftler ein bald 150-jähriges Wertgesetz erklärt worden ist. Die Machthabe an Wahrheit durch Erkenntnis ist als Kritik nicht radikal, sondern herrschaftsstabilisierend. Diejenigen, denen immer was erklärt werden muss, werfen sich den treuherzig Voranstürmenden zwischen die Beine. Erkenntnis muss der Organisation dienen und nicht allgemeiner Aufklärung.

Was alles keinen Sinn hat. Ich erwache. Der Zug fährt. Wohin fahren wir? Denken Sie sich getrennt von Ihrem Körper. Wohin fahren Sie? Die Passagiere schauen mich an. Ich habe sie unterbrochen. Es sind Ernst von Glasersfeld und Heinz von Foerster, sie wenden ein, es sei kein Zug, sondern ein Hubschrauber. Es gehe um Steuerung. Wo ist der Punkt, an dem das zu Trennende ineinander greift? Wo verläuft die Grenze, die zugleich Vermittlung ist? Es ist sehr laut in dem sogenannten Cockpit. Alles vibriert. Von Foerster ist eventuell bereit mir zuzustimmen.

Ein Modell des Bewusstseins
Ich stehe in einer Situation und muss handeln, alles ist ungewiss, ich muss schnell erkennen, was hier los ist, am besten im Wissen, wer ich sei, dann hingehn und erfüllen. Sofort. Oder doch lieber nicht erfüllen, sondern die von der Situation angebotene Interpretation zurückweisen. Oder ihre Interpretation als erkannt bestätigen, aber, vielleicht aus Bosheit, trotzdem mit nicht vorgesehenen Handlungen penetrierend auf sie einwirken, was sofort wiederum auf mich zurückwirken wird, so dass ich von der von mir veränderten Situation neu bemessen, in doppelt anderem Bezug zu mir und der Situation, und so weiter. Was jetzt? Agiere ich nicht, bin ich nicht da, oder irre. Ich behelfe mir mit Philosophieren, Stunden später weiß ich die Antwort. Ich brauche einen Spiegel. Mir fehlt ein Modell, manche haben das. Vielleicht habe ich auch keine Empathie.

Ich sehe eine Cola-Dose. Sie ist rot und macht gute Laune. Die Cola-Dose sieht mich nicht. Aber sie ist auf mich vorbereitet. Übrigens bin ich mit ihr aufgewachsen. Nun bin ich aber kritisch und will mich nicht überreden lassen. Da ich eine gewisse Gewissheit meines kritischen Bewusstseins besitze, kann ich die Situation dennoch eintreten lassen. Sie erreicht aber nicht mehr die Intensität der Kindheit, als die Cola-Dose mir die Welt verhieß, ich mich körperlich mit ihr verband und mein Bewusstsein so lebhaft erfüllt war von ihr, dass ich mich selber deutlich spüren konnte als mitten da, irgendwie massiv und strahlend.
Wollte ich mich an den Apparat, dessen Vertreterin die Cola-Dose ist, anschließen, gäbe es für mich auf dem Weg über die Dose nicht viel zu tauschen, denn meine Verwandlung ist von ihr schon vorgesehen. Die Dose hat bereits die direkt integrierbare Form eines Bewusstseinszustands, ohne dass wir uns lang einander anverwandeln müssten. Über Grenzen wird nicht verhandelt. Ich konsumiere ein gesellschaftliches Ich in Form der Cola-Dose. Sie spendet mir Subjektivität. Ich, eben noch hohl, scheine Inhalt und Kontext der Dose zu sein, die mir Grenzen verleiht. Die Grenzen schaffen Zugang zu mir, als zwischen ich und Welt. Die Dose als Grenze ist Welt als Zugang, also Ich-Modell. Die Erfahrung der Dose erschüttert mich nicht, sie ist auf Bestätigung angelegt. Der Apparat, der diese Situation bereitstellt, ist für mich unzugänglich.
Die Frage hieß: Wie könnte Repräsentation verfasst sein, die nicht ausbeutet, also ein fairer Tausch ist, eine Repräsentation, die wechselwirkend Zugang schafft? 

Es gibt nicht den Gegenstand, sondern seine und meine Herstellung, als gegenseitige Repräsentation. Donna Haraway sagt, Konversation. Das hieße, die verkümmerte Zweite Person in die Vermittlung der Vermittlungen von ich und mir, ich, ihr und ihm aufnehmen.
Warum eigentlich noch mal?
Die lineare, von links nach rechts laufende Geschichte, versehen mit Körpern vor einem Raum mit drei Seiten, vor dessen vierter unsichtbar im Dunkel der Beobachter sitzt, prägt alle Mittel des Handelns und Denkens.
Dagegen stellt das Netzwerk ein Bild bereit, um ungegenständliche, aber methodisch strukturierte Vorgänge zu beobachten, ohne einheitliche Umgebung von Raum und Zeit. Je nach meinem Betrachterstandpunkt, den ich kennen muss, um etwas zu erkennen, und der Teil des Systems ist, sehe ich unterschiedliche Vorgänge auf unterschiedlich differenzierten und strukturierten Ebenen in ihren entsprechenden Zeit- Raum- und Statushorizonten.
Um meinen Betrachterstandpunkt zu kennen, also selbst zu bestimmen und etwas erkennen zu können, brauche ich als Teil des Netzes Zugriff mindestens auf Teile der Systemadministration. Zugriff heißt, denn wir haben die Subjekt-Objekt-Technik hinter uns gelassen, nicht mehr Verfügung, sondern Verbundenheit. Jedes Netzwerk lässt sich auch hierarchisch darstellen, denn Status ist immer schon eine Dimension. Also muss ich hierarchische Ebenen haben. Nur wenn ich innerhalb des Netzwerks, das mich umgibt und durchdringt, zwischen verschiedenen hierarchischen Ebenen mit mir und anderen tauschen kann, habe ich Zugang, sonst bin ich nur  

angeschlossen. Angeschlossen aber, heißt asymmetrische Verbundenheit, nur ausbeutbar sein.
Alles dreht sich um Differenz, denn durch sie wächst, mit sich tauschend, das System und differenziert sich. Sie wird von höheren Ebenen abgeschöpft und wieder investiert. Es gibt Netzwerkstrukturen, die durch viele unterschiedliche Ebenen des Systems reichen und dadurch produktiv mit sich selbst und allem tauschen können. Sie schenken Differenz im Tausch mit anderen, aber sie integrieren auch Differenz im Tausch zwischen ihren eigenen Ebenen, um sich selbst weiter auszudifferenzieren. Eigenes und Fremdes ist nicht mehr fest begrenzt, sondern bestimmt sich jeweils über Grade der Verbundenheit. Indem diese Netzwerkstrukturen sich ausdifferenzieren, verändern und durchdringen sie wiederum die sie umgebenden und durchdringenden anderen Netzwerkbereiche. Sie machen einen Unterschied.
Es gibt auch flache Netzwerkstrukturen, die sich noch für begrenzte Subjekte halten, dankbar für ihren Anschluss, und das sind die Endnutzer. Sie sagen, was soll man von meiner Person schon wissen, was meiner Person nehmen wollen? und das stimmt, sie sind nur quantitativ von Wert. Die Differenz bildet sich abschöpfbar aus, indem den Endnutzern durch Anwendung Grenzen gesetzt werden, als die sie sich konsumieren. Sie selber brauchen für sich keine Differenz, sie freuen sich einfach, dass sie dabei sind. Dass sie sehr enge, vorgegebene Grenzen haben und mit nichts verbunden sind, stört sie nicht, denn die Dritte-Person-Perspektive bekommen sie für die Abgabe ihrer Erste-Person-Perspektive frei Haus geliefert. Vom Netzwerk 

aus betrachtet sind sie Leibeigene, sie selber fühlen sich so frei wie noch niemand je. Ihre Täuschung verankert den Kategorienfehler einer Subjekt-Individualität in einem Netzwerk-Raum. Damit schaffen sie die Effizienz der Herrschaft von morgen, die heute als Konformismus immer kontrollierender die Flächigkeit einer Welt durchsetzt, deren Hierarchien einfach verschwinden. Jedenfalls aus dem Blick. Beispiel: Oliver Laric bei Tanya Leighton.

Gute Laune
Für die Ausstellung in Nizza 96 in Matisses Atelier nutzt Kippenberger den Topos Künstleratelier. Der andere Ort der Ausstellung, die Selbstverortung des Künstlers in seinen Widersprüchen zwischen Einsamkeit und Öffentlichkeit, Außenseitertum und gesellschaftlicher Rolle, Underground und Hybris. Hunderte Bilder zeigen immer dieselbe Dachkammer für den individuellen Kampf von Scheitern und Vollendung, Leiden unter der Gesellschaft und Streben nach Öffentlichkeit, usw. Zum Stereotyp gehört, bestätigend, seine Entmystifikation. Wer an Gott zweifelt, der sucht ihn. Die Entmystifikation betritt die Bühne und bringt den Künstler um, zerstört sein Werk, aber es triumphiert gerade darin der Mythos vom Künstler. Unechte Künstler sterben naiv und ernsthaft in der Aktualisierung des Mythos. Die wahren Künstler nutzen die Ironisierung des Mythos zu seiner Aktualisierung, um den Tribut ihres tragischen Endes zu umgehen und trotzdem legitim lauter neue Kunst herzustellen. Kritiker bestätigen dies und treiben zu weiteren Verbesserungen an, indem sie kritisieren. Bei diesem Vorgang werden immer auch Kleinigkeiten 

ausgeschlossen, dies und das geht dann nicht mehr, aber die Mythen schreiben sich über Generationen hinweg fort. Das wird ermöglicht durch die synchronisierte Ordnung der Apparate, den Überapparat, die alte Metaebene. Was ist dann gewonnen? Gewonnen wird eben Aktualisierung, also Beständigkeit. Die muss schließlich hergestellt werden, wird sie es nicht, sind wir im Heute, dazu später. Aktualisierung schafft Beständigkeit, indem die Transparenz des Bewusstseins zugunsten seiner Inhalte gewahrt, die Dauer des Jetzt durch Serie erhalten wird. Dienend der Produktion von Substanzen, zum Beispiel Kunst. Aktualisierung geschieht wie von selbst im geordneten Austausch der Apparate, nicht willkürlich oder einseitig. Man könnte auch sagen, es ist die Zeit, die so hergestellt wird. In dieser Zeit lebt der Mensch immer in der Vergangenheit, weil sein Bewusstsein wesentlich Gedächtnis ist. Die einen wollen tiefer hinein, zurück, wo alles bestellt ist und wünschen Wiederholung, unmöglich. Die Anderen wollen dicht an die abbrechende Klippe, zur Präsenz, zur Gegenwärtigkeit, zum unmöglichen Sprung. Dann gibt’s noch die, die sich überhaupt für das Bewusstsein der Welt nicht sonderlich interessieren, ich kenne sie nicht, es sollen viele sein. Dass die Apparate nie wirklich synchron (dann gäbe es ja die Zeit wirklich), nie geordnet sind, (dann gäbe es den Einen Raum und eine natürliche Ordnung der Gesellschaft) macht nichts, solange die Ordnung funktional ist.
Kippenbergers Spiderman Atelier markiert nicht eine Aktualisierung des Mythos, es entsteht ein Unterschied. Ein Übergang. Die Zeit der Aktualisierungen war nämlich vorbei.

Das exponierte Dachkämmerlein wird zur Bühne der Selbstdarstellung eines Künstlers, wie so oft. Aber es zeigt sich, dass der Apparat seiner Herstellung ein anderer geworden ist.
Kippenberger spielte die Rollen, wie sie kamen, es war nun mal seine Aufgabe, zu spielen. Es war nicht seine Aufgabe, Rollen zu erfinden. Er konnte viele Rollen. Es gibt immer wenig gute Frauenrollen. Er ließ sich nicht dazu hinreißen unter den wechselnden Rollen seine wahre Persona zu zeigen. Wenn Schauspieler sich mit Substanz füllen (Brandauer) wird’s eklig. Außerdem dient das nur der Verschleierung von Beschränktheit. Auf diese Weise hat er die Stücke der Saison, Autorschaft, Werk, Originalität, Fortschritt, Kommentar, usw. durchgenommen, oder sie haben ihn durchgenommen und seine Meisterschaft entwickelte sich als die der Aktualität. Die gab es so vorher nicht. Die wäre vorher nicht möglich gewesen.
Aktualität gibt es nur, wenn der normale Gang der Aktualisierung von starken Störungen des jeweiligen Außen unterbrochen wird, und dem System die eigene Transparenz abhanden kommt. Dann nimmt es wahr, dass es wahrnimmt. Das stört die Wahrnehmung. Das Herstellen, als ein spezifisches Herstellen zu beobachten, stört die normale Herstellung von Etwas. Zugleich ist im frischen Zustand der Irritation alles voll mit leeren Realitätshülsen, mit Wirklichkeitsfragmenten, Formen, Stereotypen, Codes, und dazwischen, als Differenz, lauter echtes Leben. Das ist natürlich toll. Es macht zwar melancholisch, dass sich alle Formen als so hohl und substanzlos erwiesen haben, denn das war anders versprochen. Ja, es stehen da nach der vollzogenen modernen Revolution die eroberten Paläste als postmoderner 

 

Schrott. Aber was habt ihr gewollt, Modernisten? Die Aktualität ist da! Tausend Formen, nur für heute. Keine Kunst, nur wahre Wirklichkeit. Die absolute, hohle Präsenz, Gegenwärtigkeit für immer. Offenheit! Es gibt noch eine Erste-Person-Perspektive, und die fliegt als die begrenzte persönliche Zeit durch die Frontscheibe der plötzlich stillstehenden Welt.
In dieser Situation war Kippenberger der Richtige. Die Show läuft, da ist ein Entertainer und der zeigt an sich selbst, als (leerer) Träger von Rollen, auf Sachen, die gerade passieren. Die Metaebene gibt’s nicht, jede Rolle ist Rahmung, der in ihr dargestellten Sachen, die aktuell so passieren, und wird wiederum gerahmt von der aktuellen Darstellung durch den Entertainer, der als lebendiger, also begrenzter Mensch einen Hintergrund bildet, wie er hintergründiger auf der Welt nicht sein kann. Aber er ist leer. Er definiert sich nicht über vorgegebenen substanziellen Inhalt, sondern ist die notwendig leere Form für seine Aufführung von Differenz.
Während andere beklagen, dass es das authentische Leben, eigentlich die ganze Realität, nicht mehr gebe, erkennt Kippenberger das Leben gerade in den zwischen den kaputten Formen freischwirrenden Differenzeffekten. Authentizität wäre nicht in der Identität von Kunst, die jemand macht, und Leben, wie es ist, als dem „Primären“. Das ist für Leute, die auf sich selber reinfallen: „Der geht nicht unter Menschen, der macht seine reale Welt weiter.“ (Kippenberger im Gespräch mit Daniel Baumann). Sondern Authentizität liegt in einer Haltung der Sekundarität, die eine gültige Spannung der Aneignungen von Formen des Lebens herstellt. Die Einheit von Kunst und Leben, nicht als Erfüllung, als Deckungsgleichheit von 

Natur und Wahrheit, sondern als dauernd herzustellende gute Künstlichkeit. Das ist politisch. Und alles andere ist Lüge.
Die Welt steht still, aber es passieren weiter Sachen, denn auch wenn die Herstellung der eindimensionalen Weltzeit eingestellt worden ist, leben und sterben privat weiter Menschen. Auch gibt es Zeit nach wie vor situativ als Machtfaktor und so werden Grenzen weiter hergestellt. Verloren ist nur die Einheit und mit ihr die Dichotomien. Kippenberger stellte erst mal sicher, dass weiter dauernd was passierte, und das kam dann eben in all die Rollen,  Formen und Formate, die jetzt frei verfügbar waren. Und dadurch wurden die Formen und Formate sichtbar, wie sie es vorher, transparent, nicht waren. Das bedeutet zugleich, dass nicht alles egal, also privat ist, sondern eben politisch, also künstlich, also gut oder schlecht. Das hat Mike Kelley genauso, aber viel disziplinierter durchgeführt. Der Unterschied ist, dass Kelley das alles immer noch vor einer Metaebene „Kunst“ spielen ließ, als könne es unter diesen Bedingungen trotzdem einfach weiter Aufklärung und Fortschritt geben, wo bei Kippenberger nur noch nacktes Leben war. Tatsächlich macht beides nicht das Rennen, weder Kunst noch Leben, sondern allein das Business. Interessant ist aber, wie die Kategorie des authentischen Lebens bei Kippenberger mutiert. Aus dem früheren Narrativ Künstlerbiographie der Subjekt/Objekt-Technik: der Künstler und seine Zeit, entsteht ganz ohne autorschaftsdekonstruierende Mühe seitens eines Autors (Pictures (Auktorialität statt Erste Person)) oder Kontextverherrlichung mangels Kunst (Kontext Kunst) bei Kippenberger praktisch unter dem Druck der Verhältnisse eine Fusion aus Kontexten und Autor, bei 

gleichzeitiger Suspendierung der Kategorien Innen und Außen. Heraus kam Spiderman.

Die Kunst des Netzes. Das Studio ist Bühne und als Bühne noch Klischee. Das Klischee wird nicht etwa auf eine Bühne gestellt, die Bühne der Kunst ist Klischee. Aber so gesehen sind Klischees auch Leben, sind authentisch und das Leben braucht deren Förmchen, um sich aufzusammeln. Da sind die Drogen, die Wortspiele, die umschlagenden Bedeutungen, Verkehrungen und Orientierungen, gemischt auf den Farbfeldern der Bilder. Spiderman, mit seinen Comicbedeutungen, Bereitschaft, Männlichkeit, Doppelleben und selbstlose Verantwortung für die Gesellschaft. Über ihm von der Decke gelb (erleuchtet), angemalt (fake) die Glühbirne (genial). Das Netz, das er ist, das er gesponnen hat, für sich und andere, und außer dem er nichts ist und nichts hat, keine Macht, keine Bedeutung, keinen Besitz, das Netz ist da, um her-zustellen, nicht um darzustellen. Um einzugreifen, nicht um netzwerkend verbunden zu sein. Um was wirken zu können. Und das wieder geht nur, wenn er, obwohl nicht da, authentisch ist, und zwar als Verteilung. Das Netzwerk, das einer hat, dar-stellen, das macht jeder blöde Facebooknutzer.
Kippenberger ist nichts, hat nichts, nichts drin, keine Kontur, und alle Attribute Klischees. Aber selber gemacht. Ein Netz. Das ist seine Repräsentation.
Über die er sich gleich wieder lustig macht, ein Netz im Gesicht, verunstaltet, im Comic kein positiver Code für Dauer, einsam dennoch.
Was ist das Eigene hier?

Um sich zu behaupten in allem Falschen, und im Wissen, dass es das Richtige im Falschen eben nicht gibt, kann eine Behauptung von Authentizität nur in präzise formulierten Paradoxien bestehen. Je präziser, desto wirksamer gegen die Vermarktung als Enteignung, gegen die Klischierung des Authentisch-Eigenen, gegen die Verwechslung mit dem Mythos. Und für die Wiederaneignung des Vermarkteten, der Klischees, genau weil es das Eigene nicht gibt. Aber muss. Selbstaneignung als Klischee und Fremdes, und Verausgabung des Angeeigneten, diese Bewegung ohne Ort und Substanz braucht Kontrolle über Zugänge. Sie ist die Verbundenheit, die sie herstellt. Das ist alles und nichts.
In der Konstellation Kippenberger wird Perspektivität von Kultur/Welt intransparent, also sichtbar und ihre Formen verfügbar, und alle Apparate dereguliert und ein Akteur, der sich selbst zugunsten seines Spiels mit den nicht mehr der Kohärenzherstellung verpflichteten Apparaten, intransparent, also sichtbar und leer ist, hat keine anderen Ambitionen, als dieses Spiel zu spielen, als wärs das seine. So wird eine andere Organisationsform des Verhältnis´ von einzelner Erste-Person-Perspektive und allgemeiner, nicht länger sinnvoll koordinierter Perspektivität sichtbar. Im Übergang von der Subjekt/Objekt-Ordnung der Welt zu einer Netzwerkstruktur hat Kippenberger gezeigt, dass das Netzwerk keine Frage von haben ist, sondern von sein. Und es ist ihm gelungen, durch die eigene Spannung der Beziehungen all des Nicht-Eigenen eigene, nicht private Zeit herzustellen. 

Heute ist es schon wieder anders. Die Situation hat sich stabilisiert, ohne dass eine neue oder alte oder irgendwie als kohärent erkennbare Ordnung aktualisiert würde, die man dann wieder bestätigend oder auch kritisch nachvollziehen könnte. Die vielen kaputten Formen mit ihrer Differenz dazwischen sind wieder zusammengefügt worden, oder auch nicht, jedenfalls ist die Differenz weg, Oberfläche und Außengrenzen gelten als stabil. Man könnte sagen, die Differenzeffekte müssen eben her-gestellt werden, das gerade sei Haltung. Doch will jemand kritisch Differenz aus den schlechten Verfugungen der Welt schlagen, kann man ihm antworten: wir wissen, dass sie innen hohl ist, so what? Ob die Differenz nun da ist oder nicht, ob die Oberflächen stabil sind oder überall offen, es ist egal geworden. Es scheint alles auch so zu funktionieren. Dass alle networken – das Gegenteil von sich organisieren, sich also konform mit den sozialen Inklusions- und Exklusionsstandards verhalten, ist eine Folge des Verlusts des Medium der Zeit, als Metaebene, die Richtung und Programm ermöglicht hat. Das lässt sich nicht lösen, indem man die Hipster auffordert, doch auch mal was kritisch zu sehen, denn ohne Programm ist Dissens auch bloß Geschmacksache, oder einfach trolling. Wenn zwischen Geschmack, Haltung, Meinung und Kritik keine Unterschiede mehr erkennbar sind, entsteht daraus von ganz allein Networking. Und dann ist Reena Spaulings die Avantgarde des Konformismus. Keine eigene Netzwerkarchitektur, aber möglichst große Reichweite, keine eigene Verteilung von Grenzziehungen, sondern vielseitige Anschlussfähigkeit.

Aktualität erweist sich im Rückblick als der kurze Moment des Zusammenbruchs, als all die Formen und Bilder, aus der Zeit gefallen, verfügbar waren, man einen Begriff von Zeit und allem, was dazu gehörte, aber noch hatte, denn da kam man ja her. Es schien damals noch mehr Unterschiedlichkeit zu geben. Dieser Schock der Aktualität ist weg. Trotzdem passieren ja Sachen. Sie ergießen sich in unendliche Räume fiktiver, imaginärer, realistischer Repräsentationen, die hauptsächlich dadurch angeordnet sind, wie oft sie benutzt werden. Das allein entscheidet über Status, und Status ersetzt Zeit. Das Netzwerk ist der Raum, darin bewegen sich entlang des Status die individuellen Subjekte. Das ist falsch, nämlich ein üblicher Kategorienfehler. Im Netzwerk darf es logisch nur Netze, keine Subjekte geben. Die Subjekte beziehen vom Netzwerk, dem sie angeschlossen sind, ohne mit ihm verbunden zu sein, eine 3-D-Perspektive und Kausalität durch binären Code (0 oder 1), der den jeweiligen Status berechnet. Zeit, als übergreifende Ordnung im Netzwerk gibt es nicht mehr. Das bedeutet den weitgehenden Wegfall der Erste-Person-Perspektive in einem früheren, die Gesellschaft konstituierenden Sinn. Gesellschaft wird Physik.
Wenn die Erste-Person-Perspektive nicht mehr zeitlich, sondern hierarchisch begrenzt, und im Raum einer Dritten Person organisiert wird, die kontrollierter Besitz ist, dann fällt eher auf, was immer schon falsch war: dass der Andere fehlt, die Zweite Person, das gespiegelte Ich im Du. Es fällt auf, dass man nicht weiß, wie es ist, der Andere zu sein. Und dass das in dem Sinn mit mir zu tun hat, als ich dann auch nicht weiß, wie es ist, ich zu sein. Ich bin außer mir und begrenzt. Ich habe die  

Grenze nicht selber gemacht. Meine Grenze wird überschritten, aber nicht von mir. Ich war immer schon da und bin von mir getrennt. Die versprochene Überschreitung findet nicht statt. Ich bin teil von Kontrollsystemen, in denen ich nur soweit frei sein kann, als ich wiederum Kontrolle ausübe. Ausbeutung wird organisiert, indem den Leibeigenen unter dem alten Namen ihrer Freiheit Kompensationen verkauft werden, die sie sich unterschiedlich gut konsumierend aneignen können, so dass der jeweilige Status ihrer Anschlussfähigkeit die gegenseitige Kontrolle gewährleistet.
Ich war nie hier. Unter meinem Namen wohnt zur Miete die Ausbeutung, für die ich auswärts arbeiten gehen muss. Fabrikmäßig stelle ich das Ich her, von dem ich zugleich, begrenzt von meinen Blicken in die Dritte Person, ausruhen muss. Von den Anderen weiß ich nur, dass sie genauso sind wie Ich. Das macht sie zu meinen Gegnern, denn alle Zweite Person dient der Überschreitung.

Im gegenwärtigen Umbau eines Weltmodells, scheint die Möglichkeit zu bestehen, Kontrolle wieder zu erlangen oder sie ganz zu verlieren. Das alte Modell der Subjekt-/Objekt-Technik ist nicht zu retten, aber einige haben Interesse daran die Subjekt-Individualität zu bewahren, weil sie Ausbeutung garantiert. Das neue Modell des Netzwerks ist nicht schlecht, aber es werden Kategorienfehler eingebaut, die die bisherige Asymmetrie von Zugang und Verbundenheit von Menschen zueinander, zu sich selbst und zur Welt festschreiben und erweitern sollen.

Der Umbau des Systems, der kein vollständiger sein kann, weil seine eigentliche Funktion, Überschreitung als Unterwerfung, bewahrt bleiben muss, solange das System nicht ganz zusammenbrechen soll, bietet vielleicht die Chance einer in sich kohärenten Organisation mit anderer Funktion, die nicht vom Umbau des auf neue Art nicht-kohärenten, bestehenden Ganzen zu etwas Kohärentem ausgehen muss. Aber es bleibt nicht viel Zeit.